Posted on 2018-02-07.
Cyborgs and the Humanities
Feb 07, 2018
Akademiker im Netz
Nun – Ich finde es mutig, dass zwei gestandene Akademiker den Diskurs ins Netz bringen wollen. Ich habe das Gefühl, dass es wohl nichts schlimmeres für Institutionelle gibt, als das Internet. Diesem Ding, welches sich jeglicher Kontrolle entzieht. In meinem Erleben der akademischen Welt spielt der Verweis eine sehr wichtige Rolle. Es hat mich immer fasziniert, dass jedes Papier tausende von Fussnote und unendlich lange Spuren aufweist. Vorneweg genommen. Das Internet bricht mit dieser Tradition. Das Internet scherrt sich einen Deut um Verweise und Spuren, geschweige den Autorenschaft. Aber darum solls hier nicht gehen.
Das Internet – Wir Borgs
Seit geraumer Zeit macht Technologie uns zum Wissens-verarbeitenden Cyborg. Das fängt beim Keil für die Lehmplatten an und hört beim Smartphone auf. Was vielleicht als Werkzeug für eine bessere Organisation des Warenhandels anfing ist nun soweit gediehen, dass es uns wie Magie erscheint. Kleinste Chips fassen mit tausenden Frames pro Sekunde unsere Handgesten ab und wandeln unsere Intentionen in Maschinenbefehle um.
Die elektro-digitale Technologie die in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, ändert nicht nur wie wir mit der Welt interagieren, sondern auch wie sie mit uns. Den Flash Crash des High Frequency Trading Systems empfinde ich immer noch als einer der faszinierensten Momente der letzten Jahr. Dieser Moment in dem das vom Mensch initiierte System etwas aus sich selbst erschuff, was wir nicht mehr begreifen konnten.
Viele der elektronischen Geräte sind eigentlich sehr grobe Schnittstellen zu einem gewaltigen Netzwerk in welchem Informationen hin und her geschoben werden. Ein grundlegender Akt der Kommunikation. Wir geben in die Maschine ein was auch immer wir digitalisieren können – und es ist sehr viel digitalisierbar – und eine andere Maschine spuckt es wieder aus. Manchmal einem Menschen zum erneuten Konsum, viel öfters aber einer anderen Maschine um eine Befehl auszuführen.
Das Internet ist die kollektive technologische Erweiterung des Gesellschaft. Das Internet macht uns zur einer Gesellschaft von Cyborgs. Zu einem Cyborgkollektiv ähnlich den Borgs aus Star Trek, wenn auch weniger gleichgeschalten. Was nun dieses Internet mit uns macht ist, dass wir uns weg vom gesitteten Dialog hin zum karnevalesquen Multilog bewegen. Das Internet hat die parallele Verarbeitung mit sich gebracht. Vieles gleichzeitig und vieles ist sehr laut. Die Distribution von Information, der Akt der Kommunikation ist nicht mehr zwischen mir und dir oder euch und ihr, sondern mit jedem und allem gleichzeitig.
Die Auflösung dieser klassischen Sender – Empfänger Dichotomy ist auch eines der wichtigen Merkmale in der posthumanen Theorie, auf jeden Fall gemäss Rosi Braidotti. Diese verteilte und netzwerkartige Weise Informationen zu speichern, zugänglich zu machen und darüber zu kommunizieren ermöglicht es uns Einblicke in Lebens- und Ausdrucksweisen die uns vorher verschlossen waren. Es ermöglicht uns auch aus all diesen Einsichten immer wieder neu unsere eigene Identität zu bricolieren. Ich habe eine fünfzehn Jahre jüngere Schwester und ich frage mich immer, was das Aufwachsen mit dem Internet ihre Wahrnehmung und ihr Verständniss der Welt beeinflusst hat. Ich selbst bin nicht ein digital native aber ein early adopter. Ich kenne aber den Unterschied zwischen der Präinternet Zeit und dem jetzt sehr gut. Wenn ich meine Vorstellung ganz bunt ausmale, dann denke ich an eine Generation von Menschen, welchen das Konzept einer Landesgrenze völlig unsinnig vorkommt.
Prothesen
Wie ihr vielleicht schon merkt, bin ich gegenüber der Technik eher positiv eingestellt. Darüber dürft ihr gerne nachher mit mir debatieren. An dieser Stelle wagen wir noch einen kurzen Abstecher. Wenn wir von elektronischer Technologie sprechen, denken wir oft an Technologie die uns etwas besser oder einfacher machen lässt. Ähnlich einer Prothese, dem künstlichen Ersatz für eine Körperfunktion. Ursprünglich waren Prothese als Ersatz gedacht, für etwas, was vorhin da war oder “richtig” funktioniert hat. Ich empfinde das als eher eingeschränkte Sicht der Dinge oder vielleicht sogar als symptomatisch für die letzten Jahrhunderte, in welcher der Mensch das Mass aller Dinge war.
Elizabeth Wright, mehrfache Paralympics Gewinnerin und Philosphin, ist denn auch an der Front einer Bewegung, welche Körperprothesen nicht einfach als Ersatz für eine ehemalige Funktion des Körpers sehen. Viel mehr sind Prothesen für sie die Chance mit der eigenen Subjektivität als Mensch zu experimentieren. Es gibt mittlerweile bekannte Prothesendesigner und so ein Bein kann gut und gerne 20’000.- kosten. Cyborg sein, heisst Prothesen haben. Nicht als Ersatz sondern als neue Potentialität. Die modernen Technologien ermöglichen uns ein nie zuvor dagewesenen Spiel und Experiment mit Mensch sein sowie Begriffen wie Spezies, Kultur und weitere.
Ausblick
Das Internet als Prothese für unseren Geist, unseren Verstand und unsere Kommunikationsfähigkeiten? Die Avenue will die Art, wie wir über Wissen reden, verändern. Das ist keine leichte aber dafür eine sehr spannende Vision.
Ein Bewegung die sich komplett in diesem Spannungsfeld von bewährter und posthumaner Wissensdiskussion entfalten hat ist die Objekt orientierte Ontologie. Das Konzept wurde erstmals von Graham Harman 1999 in seiner Doktorarbeit “Tool-Being: Heidegger and the Metaphysics of Objects” verwendet. OOO ist eine metaphysische Bewegung, welche die Privilegierung der menschlichen Existenz über die Existenz von nicht-menschlichen Objekten ablehnt und wir als Unterbewegung des spekulativen Realismus gesehen.
Das wirklich interessante an triple OOO ist, dass sich seine Entwicklung vor allem in der sogegannten Blogosphere abgespielt hat. Einige Akademiker und Philosophen haben ihre Gedanken zum Thema auf ihren eigenen Blogs festgehalten und sich gegenseitig kommentiert. Alle hatten sie ihre eigenen Ansichten aber durch diese Vernetzung die sie online durch ihre Interaktion zu Stande brachten formte die Bewegung. Diese Blogs sind nun sozusagen Protoliteratur zu den unzähligen Büchern die es mittlerweile zum Thema gibt. Sie sind Gedankenarchiv, Kommunikationsplattform und Multilog zugleich. Ich möchte mit einem Paragraphen aus dem Additivisten Manifest abschliessen. Einer Bewegung an der Schnittstelle von Accelerationistischer Aesthetik und Neuem Materialismus … das klingt auf Englisch besser.
“Es gibt nichts, was unsere berauschte Rasse lieber sehen würde, als die fruchtbare Verbindung zwischen einem Menschen und einer Analytischen Maschine. Doch ist die Menschheit der vorsinflutliche Prototyp einer viel umfassenderen Schöpfung. Die gesamte Menschheit kann als biologisches Medium verstanden werden, wovon die synthetische Technologie nur eine Modalität ist. Gedanke und Leben sind beide gründlich auf den Winden der Information verteilt worden. Unsere Macht und Intelligenz gehört nicht nur uns, sondern aller Materie. Unsere Technologien sind die Geschlechtsorgane einer materiellen Spekulation. Jeder Versuch, diese Ereignisse zu verstehen, wird durch unser eigener Anthropomorphismus verhindert. Um weiterzufahren, müssen posthumane Maschinen geboren werden, ein groteskes und undarstellbares Repertoire von Wiederverkörperungen hybrider Arten.”