Rezept zur situativen Faulheit

by Daniel Drognitz

  1. Such dir einen Ort, der dich anzieht.

Er sollte so interessant sein, dass du dort gerne etwas Zeit verbringst. Es ist dabei dir Überlassen, was du als “Ort” verstehst, die Empfehlung wäre jedoch nicht über 10m2 hinaus zu gehen. Vielleicht ist es ein Ort, den du schon kennst, vielleicht findest du ihn erst jetzt, da du nach ihm suchst. Vielleicht ein exponierter Ort oder ein versteckter. Es könnte dein Zimmer sein oder das Bett darin, der Aufenthaltsraum oder ein Ort des Rückzugs, ein Quadratmeter Wiese hinter dem Haus, ein Stück Ufer am See oder ein Kreis um einen Baum im Wald.

2. Geh jeden Tag an diesen Ort und verbringe etwas Zeit dort.

Mindestens 15 Minuten, besser eine Stunde, doch auf jeden Fall lange genug, dass du in Gefahr laufen könntest, der Langeweile ausgesetzt zu sein.

3. Lenk dich nicht ab.

Am besten hast du nur Stift und Papier dabei, um deine Beobachtungen festzuhalten.

Idealerweise bist du alleine dort, damit du dich nicht in Gesprächen verlierst. Wenn dir dennoch jemand begegnet, begegne ihr oder ihm mit derselben Neugierde, wie allem, was du vorfindest.

Wenn sich eine innere Unruhe beginnt breit zu machen, lass sie zu und beobachte sie.

4. Gib dich dem Ort ganz hin.

Versuch ihn auf so vielen Ebenen zu erfahren und ergründen, wie es dir möglich ist. Wie riecht es? Was für Geräusche sind zu hören? Was für eine Substanz hat das Licht gerade jetzt?

Wenn du draussen im Grünen bist, überleg dir, welche Spezies hier leben, welche Pflanzen hier wachsen, wer sie bestäubt, wer sie isst, welche Nährstoffe sie in den Boden befördern, wie sie im Austausch miteinander stehen, …

Auf welchen Skalierungen lassen sich Dinge feststellen? Inwiefern werden die Mikroben, die das tote organische Material zersetzen, vom darüberfliegenden Flugzeug beeinflusst? Woher kommen die Daunen in deinem Kissen? Welchen Bezug hatte der Mensch, der das Tier gefüttert hat zu ihm?

Was geschieht sichtbar, beobachtbar und was nur als Projektion?

Was verändert sich, wenn du genau hinsiehst?

Welche Zeitlichkeiten und Rhythmen herrschen hier? Wie könntest du in diese Rhythmen einstimmen?

5. Interaktion

Wie könntest du mit diesem Ort interagieren? Was für Konsequenzen hätten verschiedene Formen der Interaktion? Welches Bedürfnis könnte dieser Ort stillen? Welche der Blumen auf der Wiese kannst du essen? Wer hat noch ein Interesse an dieser Blume? Mit wem müsstest du über deine Interessen verhandeln?

Was könntest du andersrum in diesen Ort hineinbringen? Was braucht dieser Ort?

6. Protokoll

Halte deine Beobachtungen und Überlegungen in einer Weise fest, die dir als angemessen erscheint. Such darin eine gewisse Konsequenz, um Veränderungen im Laufe der Woche feststellen zu können.

7. Verfasse aus deinen Beobachtungen und Erkenntnissen eine kurze Anleitung, wie man den Ort verwenden kann und teile sie mit anderen.